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Fundstück (II)

Ausbeutung mal andersherum:

PSG-Plakat

Feuchte Träume

Attac hat letzte Woche in einigen deutschen Städten New York gespielt.

Jeder soll seine Träume haben dürfen, aber sie sind auch verräterisch: In diesem ZEIT-Imitat kann man sich diejenigen von Attac ansehen.  Und wer die dann noch ernst nimmt, heile sich hiermit.

Freiwild

Dass Anna Politkowskaja erschossen wurde ist schlimm, grauenvoll. Dass es in Russland möglich ist, immer wieder auf offener Straße Menschen zu erschießen; dass die russischen Sicherheitsbehörder nichts unternehmen, solche Morde zu verhindern; dass die gleichgeschaltete Presse keinen Druck macht; dass niemand ermittelt; dass die Justiz diejenigen, die dennoch angeklagt werden freispricht; dass man in Russland seine Meinung nicht mehr veröffentlichen kann.

Aber genauso schlimm sind nicht nur diese Zustände – die Herrschaft ehemaliger skrupelloser und auf nihilistische Weise machtbesessener, egomanisch eingebildeter Geheimdienstleute -, die völlige Entfernung all dessen, was die „rule of law“, was einen Rechtsstaat ausmacht. Noch viel erschreckender finde ich die geistige Einstellung, die so etwas erst möglich macht. Dazu zählt das Weltbild des Putin-Regimes und all der anderen in den übrigen Ebenen des Machtapparats. Aber dazu zählt auch die Einstellung der russischen Gesellschaft, die auf Unterdrückung von Meinungen, auf schlechte Politik, auf offensichtliche Willkür, auf Machtmissbrauch, auf am Gemeinwohl völlig desinteressierte Politik nicht reagiert. Eine Einstellung, die „Politikern“ wie Putin und Medwedew zujubelt, wenn sie nationalistisch herumrasseln. Ein Klima, in dem Derartiges die Meinung der Menschen beeinflussen kann (oder auch nur angenommen wird, dass Solches Einfluss haben kann):

Ein Video, das die Ermittlungsbehörden im Fall Politkowskaja angefertigt haben, ist wieder aufgetaucht (nachdem es – verwundert dies noch?  – während des Verfahrens „verloren gegangen“ war). In diesem wird der ermordeten Journalistin vorgeworfen, sie sei vom Ausland abhängig gewesen und habe russischen Interessen geschadet. (Zu diesem Zwecke werden dann – auch diese Methode scheint im russischen Strafprozess gängig zu sein – nicht existente ausländische journalistische Preise erfunden und russische, die Frau Politkowskaja erhalten hatte, verschwiegen. Man weist auf ihre doppelte Staatsbürgerschaft hin, für die sie Russland die „Loyalität“ hat abschwören müssen (sie hat sie erhalten, weil sie als Diplomatentochter in den USA geboren).

Genug, dass eine Tote diffamiert wird.
Genug, dass ausgerechnet staatliche Ermittlungspersonen lügen.
Genug, dass sie glauben, sie könnten dadurch jemanden beeinflussen.

Was ist das für eine Stimmung, in der man, ohne seine Selbstachtung zu verlieren, versuchen kann durch Diffamierung eines Opfers, die staatliche Untätigkeit, die Abwesenheit staatsanwaltlicher Ermittlungen und die völlige Parteilichkeit der Justiz zu verdecken, ja den Mord zu rechtfertigen?

Gibt es hier zu bestaunen.

Die böse 25

Ich habe es neulich mal wieder gefunden: die populäre Kritik an angeblich zu hoher Renditeerwartung bei einigen Unternehmern exemplifiziert am Boxsack der Nation, Josef Ackermann.

Wenn jemand seine wirtschaftliche Tätigkeit darauf ausrichtet, in kurzen Zeiträumen 25 Prozent Rendite zu erzielen, dann geht das auf Kosten der Produktqualität, auf Kosten der Arbeitnehmer, auf Kosten aller, die wir jetzt in der Krise sehen.

Sagte der SPD-Geschäftsführer Wasserhövel – ganz offensichlich unter Bezugnahme des Renditeziels der Deutschen Bank, 2006 ausgegeben von Herrn Ackermann. Durch Nennung der 25-prozentigen Renditeerwartung soll Empörung geweckt werden, Empörung angesichts der so offensichtlichen Unmäßigkeit. Leider ist er nicht der erste oder zweite (und wohl nicht der letzte), der unter der Verzerrung der Tatsachen und in fröhlicher Ignoranz Banken und insbesondere Herrn Ackermann als teuflisch gierige Halunken darstellt.

Damit sei hier einmal aufgeräumt: 25% Rendite sind sehr, sehr viel. Unter normlen Marktbedingungen nicht zu erzielen. Doch Josef Ackermann wollte aus der Deutschen Bank nicht 25 % Rendite herausquetschen; er meinte die Eigenkapitalrendite! Wer viel Fremdkapital aufnimmt, kann damit naturgemäß mehr erwirtschaften als mit seinem bloßen Eigenkapital. Bei hinreichend niedrigen Fremdkapitalzinsen steigt damit die Rendite für jeden Euro Eigenkapital mitunter exorbitant (und auch mal nah an die 25%); die Rendite pro eingesetzem Euro Kapital bleibt aber in den meisten Fällen gleich, sie muss sich zumindest nicht ändern. Letztere Renditemessung nennt man denn auch Gesamtkapitalrendite.

Und mit dieser wird der unbedarfte Zuhörer die 25 % auch verwechseln: Lieschen Müller sitzt vor dem ARD-Schirm und ärgert sich darüber, dass jemand so dreist sein kann und 25 % haben will, wo sie auf ihr Sparkonto doch nur drei bekommt.

Man kan natürlich auch die Messung an der Eigenkapitalrendite kritisieren, sie mag eine übertriebene (nicht notwendiger-, aber möglichicherweise schädliche) Aufnahme von Fremdkapital provozieren. Aber wer das kritisieren will, soll es auch sagen! Und nicht so unverantwortlich und populistisch hetzen.

SED.

Sitten und Soziales

Für die hessische SPD sitz ab September möglicherweise eine vorbestrafte Abgeordnete im Bundestag. Frau Nissen hatte sich gewünscht, dass Frau Everts (eine der hessischen SPD-Mitgliedern, die nicht für Frau Ypsilanti gestimmt haben) „die Beine abfaulen“. Ob sie auf diese kreative Idee kam, als ihr auffiel, dass Frau Tesch (ebenfalls eine dieser vier) schon beinamputiert ist, bleibt ihr Geheimnis. Dass sie den Satz in Gegenwart aller hessischen SPD-Delegierten und Frau Ypsilanti und Herrn Schäger-Gümbel unwidersprochen, ungerügt und fast unbemerkt auf dem SPD-Parteitag im Dezember unter besonders lautem Beifall aussprechen konnte, sollte ein Skandal sein.

Als die Lage durch einen Bericht der Frankfurter Sonntagszeitung eng zu werden drohte, entdeckte Frau Nissen, recht plötzlich, dass der Satz ihr Leid tue, und entschuldigte sich anscheinend über elektronischen Weg bei den drei Landtagsbgeordneten, die Frau Ypsilantis Wahlversprochen nicht gebrochen hatten – und die sie kurz zuvor noch geteert und gefedert sehen wollte. Jedoch nicht bei Frau Everts.

Nun hat Frau Everts einen Strafantrag gestellt.

Die SPD dagegen hat Frau Nissen als Frankfurter Bundestagskandidatin nominiert.

Wer sich fragt, ob die deutschen Printmedien und insbesondere die großen Onlinezeitungen nicht sehr einseitig und aufgeschreckt skandalisierend über die Entscheidung des Papsts berichteten, dem seien diese Fundstücke empfohlen:

Dieser gut geschriebene Essay beleuchtet die unten stehende Affäre die Motivation des Heiligen Stuhls, die exkommunizierten Piusbrüder wieder aufzunehmen. Die Kommentare dort weisen auf weiterführende Presse hin.

Und auch hier schreibt man Bedenkenswertes (wenn auch faktisch Unüberprüftes).

SpiegelBild hat heute nur noch ein Thema: hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

Frau Merkel fordert von Seiner Heiligkeit eine Klarstellung. So berichtet SpiegelOnline. Das fordert geradezu eine KlarRichtigstellung.

Anders als die Überschrift bei SpiegelOnline und beispielsweise das Video, das das ZDF in seiner Berichterstattung verwendet, suggerieren, hat Frau Merkel sich nur widerwillig und mit einer äußerst kurzen Aussage im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten Kasachstans dazu geäußert:

Es ist im Allgemeinen nicht an mir, innerkirchliche Entscheidungen zu bewerten oder zu kommentieren. Allerdings glaube ich, dass es anders ist, wenn es um Grundsatzfragen geht. Und eine Grundsatzfrage ist es schon, wenn durch eine Entscheidung des Vatikans der Eindruck entsteht, dass es die Leugnung des Holocaust geben könnte, dass es um grundsätzliche Fragen des Umgangs mit dem Judentum insgesamt geht. Dies darf nicht ohne Folgen im Raum stehen bleiben.

Dass Frau Merkel mit diesen Worten etwas gefordert, und das vom Papst, ist eine freie Interpretation. Eine Interpretation, die zweifelsohne auch anders ausfallen hätte können. Dass einige auflagenstarke deutsche Medien ihre Meinung schon vorgefertigt haben, hat dabei sicherlich geholfen.

Aus der Berichterstattung hier, hier und hier lässt sich erkennen, dass es nur noch um Empörung und nicht mehr um die Fakten geht. Auch das ZDF bediente sich der Worte: „Holocaustleugner“, „Bischof“ und“rehabilitiert“.

Aber was ist passiert? Papst Benedikt XVI. hat die Exkommunikation einiger Anhänger des ehemaligen Bischofs Lefebvre rückgängig gemacht. Diese waren wie viele Mitglieder der Bruderschaft Pius X., die liturgisch reaktionäre Tendenzen verfolgt und auch ansonsten eher gottesstaatliche Visionen hat (SpiegelOnline subtil und differenziert: „Wie die Piusbrüder gegen Juden, Muslime und Schwule hetzen“), wegen ihrer Opposition gegen die theologische Lehrmeinung der Katholischen Kirche ausgeschlossen, also mit dem Kirchenbann der Exkommunikation belegt worden. Dabei haben sie auch aufgehört Bischöfe zu sein. Dass sie nun wieder aufgenommen werden, hat auch nichts mit ihren sonstigen Positionen zu tun, sondern ist einem theologischen Schwenk geschuldet.

„Holocaustleugner“
Einer (1) der vier hatte immer wieder und öffentlich behauptet, die Zahl der in KZ getöteten Juden sei wesentlich kleiner als die rund sechs Millionen verbürgten Morde. Ob dies Holocaustleugnung ist, darf jeder selbst bestimmen (Ich finde ja; dass die Person des Betroffenen darum auf „Holocaustleugner“ reduziert werden sollte, als betriebe er dies hauptberuflich, finde ich nicht.) Doch dies hat weder bei seiner Exkommunikation (durch die sich naturgemäß auch kein Vertreter der politischen Korrektheit bestätigt gefühlt hat) noch eben bei deren Rückgängigmachung eine Rolle gespielt.

„Bischof“
Durch den Titel Bischof bekommen diese Aussagen das Kirchlich-Offizielle; doch alle Medien verwenden ihn falsch, einige wohl böswillig. Der Betroffene ist kein Bischof mehr. Er war kein und ist nun wieder ein einfaches Mitglied der katholischen Kirche, wie etwa eine Milliarde anderer auch. Dass darunter Antisemiten, Mörder, Holocaustleugner und andere unsympathische und in Deutschland mit Strafe bedrohte Personen sind, würde wohl niemand leugnen. Die Nationalsozialisten blieben auch Mitglieder. All dies kann man kritisch sehen, aber derlei Privatmeinungen beeindrucken das kanonische Recht nicht. Wie in der Vergangenheit bleibt die Exkommunikation Häretikern vorbehalten. Bislang allerdings wurde es von niemandem kritisiert, nie hat jemand gefordert, bayerische Stammtisch-Antisemiten, italienische Neofaschisten und NPD-Wähler zu exkommunizieren. Wieso jetzt plötzlich?

„rehabilitiert“
Rehabilitiert wurden Herr Williamson und die anderen zwar, aber nur von ihrem Abfall von der reinen Lehre. Aus den genannten Gründen bezog sich die Rehabilitation aber keineswegs auf irgendwelche andere Äußerungen, für die sie schon gar nicht ausgeschlossen worden waren.

Was ZDF, SpiegelOnline etc. uns erzählen ist also nur halb richtig, manipulativ und vor allem massiv aufgebauscht.